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19.05.2019

Turning Nations into people and Strangers into Friends.
In der letzten Woche habe ich eine der wahrscheinlich ur-amerikanischsten Erfahrungen gemacht. Mein erster langer Roadtrip mit mit 5 Fremden Leuten, 1500 Meilen, 9 Staaten und das alles in nur 7 Tagen. Der Roadtrip von Indianapolis nach Fayetteville war Teil des Programms ‚wunderbar together‘ zum Deutschlandjahr USA und wurde von Fulbright Germany gesponsert. Meine Mitreisenden, hatte ich in den zwei Monaten zuvor nur per WhatsApp und googledocs zur Planung unserer ‚Events‘ kennengelernt und hätte mir nie vorstellen können, dass meine Gruppe mir einmal so ans Herz wachsen könnte, dass wir uns als Team Family bezeichnen.
Die Roadtrip-Gruppe war mit Absicht sehr zusammengewürfelt aufgestellt; Lynn aus Buffallo mit schon über 50Jahren, Gabrielle als junge schwarze Südstaatlerin und Rebecca als Fotojournalistin waren alle mit Fulbright in Deutschland gewesen, während Jens, Markus und ich als Studienstipendiat, Teaching Assistant und Reisestipendiat den deutschen Teil unserer Gruppe bildeten.

Tag 1 – Cincinnatti
Am Samstag trafen wir uns also zum allerersten Mal in Indianapolis, Indiana am Flughafen um sogleich in unserem mit Stickern verschönerten Mini-Van nach Cincinnatti in Ohio zur Biergartenserie der Germania-Society zu fahren. Ohio hat historisch gesehen eine große deutsche Einwanderungsgruppe und viele alte Herren, mit denen wir ein Bierchen und ein Gespräch geteilt haben, haben uns von Ihrer Heimat (Dresden, Traunstein etc) erzählt, die sie vor mehr als 50 Jahren verlassen haben. Ds größte Problem ist allerdings, dass viele Amerikaner der zweiten und dritten Generation kein Deutsch mehr sprechen und so ein großer Teil der Kultur verloren geht. Ein älteres Ehepaar, Joann und Erwin hat uns auch über Nacht aufgenommen und uns am nächsten Morgen echtes dunkles Brot (genau wie beim deutschen Bäcker) präsentiert, was die beiden aus Toronto in Kanada bekommen.


Tag 2 – Old St. Marys und Lexington
Am Sonntag morgen sind wir im Over-the-Rhine District von Cincinnatti in die Kirche Old St. Marys zur deutschen Messe gegangen und haben uns im Anschluss in den Ratskeller der Kirche zum Frühshoppen begeben, wo sich uns ein ähnliches Bild wie am vorherigen Abend ergeben hat: Viele ältere Deutsche und viele interessierte Amerikaner mit deutschen Wurzeln aber wenig tatsächlichen Verbindungen zu Deutschland. Hier im Keller einer Kirche in der Mitte der USA habe ich dann mein erstes echtes Edelweiß gesehen, anscheinend gibt es eine alte Lady in der Umgebung, die die Blumen in Ihren Gewächshaus hochzieht und dann alle paar Monate eine Ladung Blumentöpfe in der Kirche verkauft. Tja, und ich bin jedes Jahr in den Alpen wandern und hab noch nie eins gesehen.

Am Nachmittag haben wir uns eine kleine Auszeit von so viel deutschem Input gegönnt und uns mit einem anderen Fulbrighter in Lexington, Kentucky auf eine Distillery Tour mit Whiskey und Bourbon Tasting begeben. Der Geruch war wirklich sehr gut, im ganzen Produktionsbereich hat es süßlich nach einem Mix aus Mais und frisch gebackenem Brot.
Am Abend haben wir uns mit Studenten und Mitarbeitern der University of Lexington getroffen und die Deutsch-Amerikanischen Beziehungen in der Gegend diskutiert.


Tag 3 – Shelbyville und Chattanooga Der nächste Tag begann mit einem Besuch einer Holzfabrik für die Herstellung von Furnier (veneer company) in Shelbyville. Die komplette Holzindustrie, die in Kentucky und Tennessee sehr wichtig ist, wurde von deutschen Einwanderern aufgebaut und auch die Fabrik, die wir besucht haben ist nur eine Tochtergesellschaft eines deutschen Unternehmens. Mit dem Bürgermeister von Shelbyville und ein paar Business Vertretern haben wir uns dann auch noch ein bisschen mehr unterhalten und es sogar ins local Newspaper geschafft (https://www.sentinelnews.com/content/scholars-visit-international-company-shelbyville)
Am Nachmittag sind wir schnell die 5 Stunden nach Chattanooga, Tennessee gefahren und haben uns dort mit einem Journalisten der Chattanooga Times Free Press getroffen, sowie am nächsten Morgen mit dem Bürgermeister Andy Berke.

Tag 4 – Chattanooga und Helen
Chattanooga ist in den letzten Jahren zu einem Zentrum deutscher Investitionen geworden, 27 Unternehmen u.a. auch VW haben sich dort angesiedelt und neue Deutsche Einwanderer sowie ein paar deutsche Konzepte eingeführt, die den Amerikanern ziemlich fremd waren. Dank VW gibt es in diesen Teil der USA nun eine Art Berufsausbildung in Koopereation mit den dortigen Community Colleges, für die man keine Studiengebühren bezahlen muss und die mit einer Ausbildung in der VW Fabrik einhergeht, was für die Amis eine Neuheit war.
Außerdem hat VW, Betriebsräte und Werksbeteiligung aus Deutschland gewöhnt, die UAW- United Auto Workers, eine Laborunion(Gewerkschaft) gebeten, doch deren Betrieb und die Arbeiter zu vertreten, was zu einem Aufschrei der Politik geführt hat und VW fast die incenitives (Steuererleichterung etc) gekostet hat. Laut Rebecca und Lynns Aussage sind Politiker und Lobbyisten von den meisten großen Firmen so gut bezahlt, dass Gewerkschaften in Amerika fast keine Chance haben, VW jedenfalls musste zurückrudern und seinen Arbeitern alle Rechte auf Vetretung und Mitsprache wieder aberkennen, weil die lokalen Politiker so dagegen waren. Eine sehr interessante Situation auf jeden Fall.
Den Rest des Tages wollten wir Roadtrippers uns eigentlich frei nehmen und uns die nach deutschem Vorbild gebaute Stadt Helen in Georgia anschauen und an der Bingo-Night teilnehmen, was aber zu einem richtigen Event ausartete und mir einen Kontakt zu einem amerikanischen Au-Pair in Chemnitz, sowie unserer ganzen Gruppe neue Freunde und coole T-Shirts einbrachte. Und wir hätten um ein Haar $750 gewonnen. Es war schoon sehr seltsam in einem deutschen großen Bierzelt/garten/gebäude zu sitzen, Brezeln und Bier vor sich, Bayernflaggen, Gemälde von Garmisch-Patenkirchen an der Wand und das amerikanischste Glücksspiel überhaupt zu spielen, und das alles mit der kompletten Ü50 Bevölkerung des ganzen Dorfs.

Tag 5 – Atlanta, Georgia
In Atlanta haben wir uns mit der GAC-German American Cultural Fundation getroffen und über die mehrere tausend deutschen Unternehmen in der Gegend gesprochen und was das für die deutschen Familien, die in die Gegens ziehen bedeutet. Am Nachmittag haben wir eine private Tour durch die CNN World Headquarters bekommen und uns abends ein Baseballgame der Atlanta Braves angesehen, dank connections zu Mitarbeitern und Schiedsrichtern alles umsonst, und den Atlanta traffic haben wir auch überlebt.

Tag 6 – Birmingham, Germantown, Memphis
Am Donnerstag sind wir frühmorgens nach Birmingham gefahren um uns die 16th Street Church und das Civil Rights Museum anzusehen. Die Geschichte der Kirche mit dem Bombenanschlag in 1963 bei dem 4 kleine Mädchen getötet wurden war einer der Auslöser für weitreichende Demonstrationen der Afroamerikanischen Bevölkerung. Im Anschluss haben wir uns mit Ehrenamtlichen der Greater Birmingham Ministries, einer Community Service Organisation getroffen um uns über Sozialpolitik, den ‚War on Poverty‘ und auch die kürzlich beschlossenen Anti-Abortion-Laws der Staaten Georgia, Alabama und Ohio auszutauschen.
Die Mitarbeiter haben uns von ihrer Arbeit erzählt, die meisten Menschen haben eine Geschichte zu erzählen und die Greater Birmingham Ministries versuchen diese Geschichten herauszufinden und den Ursprung der Probleme zu finden. Ein gutes Beispiel dafür sind die Personen die zur Essensausgabe oder Kleiderspende kommen und gefragt werden, warum sie hier sind. Die erste ANtwort ist meistens ‚Ich habe kein Geld‘ aber nach genauerem Nachfragen kommt raus, das keine Geld vorhanden ist, weil die Leute ihren Job verloren haben, was wiederum passiert ist, weil ihr Auto kaputtgegangen ist und der Bus entweder nicht zur Arbeit fährt, oder zu spät kommt und die Leute deshalb gefeuert werden. Der wahre Grund für die Armut der Leute ist in diesem Fall das schlechte öffentliche Verkehrsnetz und der Lösungsansatz ist in dem Fall eine politische Kampagne für ein besseres Busnetz.
Am Nachmittag haben wir uns mit dem Bürgermeister und Stadträten von Germantown, einem Vorort von Memphis getroffen und über die relativ neue Städtepartnerschaft mit Königs Wusterhausen gesprochen (seit 1994) gesprochen. Interessanterweise waren die Amerikaner extrem schockiert, dass in ihrer Partnerstadt 2002 ein ‚linksextremer Kommunist‘ als Bürgermeister gewählt wurde nachdem die Stadt jahrzehntelang von Kommunisten terrorisiert wurde. Der Bürgermeister war nämlich in der Partei die Linke und es ist in Germantown allgemein bekannt, dass Kommunismus tötet und Kapitalismus Armut eliminiert.
Abends hat uns unser Documentary guy JT, der uns seit Helen begleitet hatte um einen Film über den Roadtrip zu drehen seine Lieblingsbars in Memphis gezeigt, das urige ‚Earnestines and Hazels‘ und ein paar andere Bars, Memphis würde sich auf jeden Fall für einen weiteren Besuch lohnen. als wir um 1 in unser Airbnb gekommen sind, haben wir 6 uns noch für eine halbe Stunde im Wohnzimmer auf die Couch gesetzt und ein bisschen Family-Time mit den Kardashians verbracht.

Tag 7 – Ankommen in Fayetteville
Am letzten Tag unseres Roadtrips stand uns noch die längste Fahrt mit 6 Stunden nach Fayetteville in Arkansas bevor, an der Universität hier hatte Senator Fulbright gelehrt und hier sollte die Abschlusskonferenz als Höhepunkt des Roadtrips stattfinden. Über die Konferenz lässt sich nicht so viel sagen, ich kann nur sagen, dass ich wirklich extrem dankbar bin, dass wir für ganze 7 Minuten unsere 7 Tage an Erfahrung präsentieren durften und im Anschluss eine wunderbare 90 Minuten lange Geschichtsstunde über die Berliner Mauer bekamen, nachdem wir den ganzen morgen Präsentationen über die Historie von Fulbright und der Universität von Arkansas gehört haben. Wirklich großartig. In der Abschlussrede wurde die Konferenz auch nochmal wirklich schön zusammengefasst, es wurde gesagt: ‚We need to humanize people and not walls or institutions‘ und ich bin froh, dass wir genau das gemacht haben.

Ein paar interessante Nebenbemerkungen zu der Gegend hier: Im Süden und speziell hier in Fayetteville sind Studentenverbindungen super reich und populär, ich dachte ja eigentlich in Reno wären schon große Sorority-Häuser aber hier in Arkansas stehen ganze Paläste, die bestimmt 100 Studentinnen beherbergen können.
Außerdem ist grade Tornado-Saison und wir hatten während der Konferenz auch ein paar Sirenen zum Schutz-suchen. Vor allem in den nächsten Tagen solleb in Texas, Oklahoma und Arkansas viele Tornados entstehen und ich hoffe dich sehr morgen gut nach Las Vegas fliegen zu können.
Außerdem kommt aus der Gegend Fayetteville-Bentonville die große Supermarktkette Walmart und die Walton Family Foundation hat sehr viel Geld gespendet um das Crystal Bridges Museum of American Art zu bauen und kostenlos zugängig zu machen. Ein architektonisch wunderschönes Gebäude mit vielen schönen Kunstwerken, was wir uns am Sonntag noch angeguckt haben.

Um die volle ‚U of A'(University of Arkansas) experience zu bekommen wurden wir im Studentenwohnheim untergebracht, was für uns Pizza und Eiskreme mit Cola zum Frühstück (keine Angst es gab auch Muffins, Pancakes, Würstchen und Cornflakes), sowie keine Mülleimer in den Zimmern und Fluren bedeutete. Unglücklicherweise hatten sich das Organisationsteam der Konferenz und die Redner, sowie älteren Teilnehmer diese wunderbare Erfahrung, die ein essentieller Bestandteil der Konferenz sein sollte, selbst verwehrt und sich im Luxushotel untergebracht. Ich kann wirklich nur sagen, dass der Roadtrip mit den Bekanntschaften auf dem Weg eine der schönsten und lehrreichsten Wochen in meinem Leben war und die zwei-tägige Konferenz danach eine volle Verschwendung meiner Zeit. Alle 18 Roadtripper aus den 3 Teams waren sehr enttäuscht, hatten wir doch erwartet, dass wir von unseren Erfahrungen berichten sollen, wenn man schon $2000 pro Kopf investiert. Aber was solls.
Im Moment sitze ich bei einem älteren Ehepaar in Fayetteville in der Hängematte, die mich und zwei andere junge Fulbrighter nach der Konferenz aufgenommen haben und morgen früh geht es für mich zum Flughafen, um meinen letzten eigenen Roadtrip von Las Vegas aus anzutreten.

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